Mainradweg – Tag 9
Die Kahler Übernachtung werde ich nicht in guter Erinnerung behalten. Vor 40 Jahren hätte ich ein Hochbett noch als toll empfunden; heute nervt es, wenn die Zimmerdecke so nah ist, das Bett zu schmal und dazu Temperaturen wie im Backofen. Um sechs war die Nacht vorbei. Ich bin aufgestanden und habe Kerstin die Matratze für eine Stunde allein gegönnt.
Den ersten Kaffee, wobei mir noch immer nicht klar ist, ob man das Zeug aus den Senseo-Pads überhaupt so nennen kann, konnte ich auch nicht in Ruhe genießen, denn plötzlich stand die Mutter der Vermieterin im Zimmer – kein Anklopfen, kein „Guten Morgen“ – geht gar nicht. Als dann Kerstin zum Frühstück kam, war sie noch immer da und begann, über andere Gäste herzuziehen – geht gar nicht. In Ruhe zu frühstücken – ging gar nicht.
So starten wir kurz vor halb neun bei noch angenehmer Temperatur zur nächsten Etappe, die uns bis zur Mündung führen sollte. Die Strecke ist – insbesondere um Offenbach und Frankfurt – schöner als zunächst angenommen. Die kühle Luft treibt die Menschen raus: Jogger, Spaziergänger, Radfahrer, Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern, selbst einen Radler mit einem Affen, der sich ängstlich an sein Herrchen klammerte, haben wir getroffen. Es herrscht richtiges Gewusel auf den Wegen am Main.
Erst nach Niederrad wird es ruhiger, wovon wir aber wenig haben, den eine Sperrung treibt uns die Europabrücke hinauf. Auf der Südseite zeigt sich wieder das Manko des Bambuks: Wir kommen zwar die erste Rampe locker rauf, müssen dann aber eine enge 180-Grad-Kehre machen, was zu maßloser Rangierei ausartet. Zum Glück sind die Radler hinter uns gut gelaunt. Auf der Nordseite geht der Radweg übrigens nahtlos in die Straße über.
Fünf Kilometer geht es rechts des Mains entlang, bis wir über die Schwanheimer Brücke zurück auf die ursprüngliche Route kommen. Der folgende Abschnitt bis Sindlingen ist meines Erachtens der hässlichste des ganzen Mainradwegs – man umfährt nur irgendwelche Industriekomplexe und ist weit vom Main entfernt.
Ein Stück vom Main entfernt, und vielleicht deswegen für Mainradtouristen ein Geheimtipp, liegt die Radfahrerhalle in der Jahnallee in Okriftel. Wir machen dort Halt, um etwas zu essen und den Akku aufzuladen. Das Essen ist sehr gut, die Portionen üppig und die Preise günstig. Nur das Weizen kostet satte 4,30 Euro – halb so viel wie ein Essen.
Danach geht es weiter, meist dicht am Ufer entlang, bis zur Mündung des Mains in den Rhein. 600 Kilometer liegen dort hinter uns. Wir haben es uns schwerer vorgestellt und hätten wir nicht alle Übernachtungen vorgebucht, wären wir jeden Tag deutlich länger gefahren.
Den Abend beschließen wir im Restaurant unter dem Hotel, bis uns die Wirtin rausschmeißt: „Es ist ja nix mehr los.“